Developing Blogpost: Podiumsdiskussion zu Open Science in Berlin (#oaweek)

Bild von @Helmholtz_DE (Twitter)
Heute Abend wohne ich der Podiumsdiskussion „Open Science – Chancen und Herausforderungen der digitalen Wissenschaft“ im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin bei, die im Rahmen der Open Access Week stattfindet. Die Podiumsdiskussion wird vom Open Access Koordinationsbüro der Helmholtz-Gemeinschaft, vom Computer- und Medienservice, der Universitätsbibliothek und dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin sowie dem Center für Digitale Systeme derFreien Universität Berlin veranstaltet. Sie soll die drei Themenfelder Open Access, Web 2.0 und die dauerhafte Zugänglichkeit von Forschungsdaten thematisieren.
Als Diskutanten sind geladen:
- Dr. Christoph Bruch (Helmholtz-Gemeinschaft)
- Prof. Dr. Ortwin Dally (Deutsches Archäologisches Institut)
- Dr. Andreas Degkwitz (UB der Humboldt-Universität zu Berlin)
- Prof. Dr. Martin Grötschel (Technische Universität Berlin)
- Dr. Jeanette Hofmann (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
- Dr. Angelika Lex (Elsevier)
- Dr. Anne Lipp (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
- Moderation: Prof. Dr. Peter Schirmbacher (Humboldt-Universität zu Berlin)
Einführungsvortrag von Prof. Grötschel
- „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“ gibt es bereits seit 2003
- auch ALLEA fördert und fordert Open Science
- Open Access / Open Science Forderung gilt nur erst einmal für die öffentlich finanzierte Forschung, kann nicht für Firmen gelten
- Grötschel: „Ich will alles und zwar sofort, jederzeit, überall und kostenlos zur Verfügung haben.“
- Das Problem in der Wissenschaft liegt in den entkoppelten Benefit-Systemen, vor allem bei der Veröffentlichung:
- beim Auto: Qualität gegen Anerkennung
- beim Verleger: Gewinnorientierung gegen Verbreitung
- beim Leser: Orginalität gegen Interesse (gegen Kosten)
- bei The Cost of Knowledge setzen mehr als 12.000 Wissenschaftler Ihren Standpunkt
- Problem: oligopolistischer Verlegermarkt mit Gewinnorientierung (Elsevier ca. 36%, Springer ca. 25-33%
- die gängigen Citation Indizes sind eher fragwürdig, Impact Faktoren sind von den Verlagen teilweise geschönt (nach einer Untersuchung von Douglas N. Arnold und Kristine K. Fowler)
- Blogbeispiele aus dem Web für Science im Web 2.0: Terry Tao, Tim Gowers
- Blog der Mathematics Union, um ein Journal Rankings zu erstellen (im Kontext der Digitalen Mathematischen Weltbibliothek)
- Grötschel fordert auch die dauerhafte Zugänglichkeit der Forschungsdaten
Diskussion:
- Vorstellung des Podiums durch Prof. Dr. Peter Schirmbacher (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Frage an Jeanette Hofmann: Reflektion von Open Access in der Politik
- trotz der Initiativen und Einigungen untereinander, sind daraus keine zufriedenstellenden und zeitnahen Regelungen erlassen (unzureichende Fristen bei Artikeln, kein Ergebnis bei Monographien)
- Frage an Christoph Bruch: positives und negatives
- das Prinzip von Open Access wird weitgehend akzeptiert und erfährt breite Zustimmung
- die Garantie von Qualität wird aber immer wieder angesprochen (Qualitätsfixierung)
- „Die Wissenschaftler hängen an Verlagen, wie die Junkies an ihren Drückern“
- Frage an Angelika Lex: Sicht des Verlages
- Verlage sind an der Verteilung des Wissens orientiert
- ca. 28 reine Golden Open Access Journale erscheinen (ebenso viele in Vorbereitung)
- in 1.200 Zeitschriften kann man Artikel Open Access publizieren
- einige Journale öffnen ihre Repositorien nach 12 Monaten
- Infos zu Open Access bei Elsevier
- Während Geisteswissenschaftler eher pro OA sind, herrscht bei Sozialwissenschaftlern meist Skepsis
- nach Elsevier-Boykott hat Elsevier den engeren Kontakt zur Community gesucht, um die Wünsche besser zu verstehen (man nimmt den Boykott ernst)
- einige Pricing-Modelle wurden bereits angepasst, viele mathematische Zeitschriften bereits vollständig offen gestellt
- Frage an Andreas Degkwitz: Sicht der Bibliotheken
- nahezu jede „ernstzunehmende“ Bibliothek bietet heutzutage Repositorien
- Open Access war lange eine rein politisch-anmutende Diskussion
- Frage an Anne Lipp: Beteiligung von Hochschulen
- wir imitieren in den Publikationssystemen noch viel zu sehr Printmodelle
- wir müssen endlich von den (technischen) Möglichkeiten her denken
- wir brauchen verlässliche Anlaufstellen in den Hochschulen, die auch bei der Finanzierung helfen
- DFG-Programm für Open Access Publizieren speziell in Hochschulen, wurde erst spärlich in Anspruch genommen – mittlerweile nutzen diese Chance gut 1/3 der deutschen Hochschulen (das Fördervolumen liegt derzeit bei 1 Million Euro)
- Frage an Ortwin Dally: Einstellung in der Archäologen-Community
- es gibt derzeit noch nicht viel OA-Bewegung innerhalb der Archäologen-Community, teils weil sehr viel mit Bildern gearbeitet wird (hierzu werden Modelle entwickelt, bei denen die Bilder dann herausgenommen werden)
- man muss die Interessen der Gastländer, in denen das kulturelle Erbe (das archäologische Untersuchungsobjekt) mit bedenken
- bei der Veröffentlichung von zu genauen Ortsangaben ergibt sich die Gefahr von Raubgräbern, die unwissenschaftlich eine Gefährdung für die archäologische Arbeit darstellen
- Frage an Martin Grötschel: zukünftige Wege des Publizierens von Forschungsdaten
- man testet bspw. Magazine, bei denen Algorithmen eingereicht und begutachtet werden können
- die Mathematik ist bereits sehr offen, aber auch hier gibt es noch keinen festen/festgelegten Weg
- Ergänzung Jeanette Hofmann
- die Kommunikation der einzelnen Akteure (Organisationen) lässt stellenweise ebenso zu wünschen übrig
- das HIIG plant ein Projekt, um Internetforschern einen neuen Publikationsweg anzubieten (z.B. Essays) – damit sollen nicht nur Wissenschaftler angesprochen werden, sondern auch „Praktiker“
- Frage an Christoph Bruch: Rolle Web 2.0
- bei den neuen Formaten ist noch nicht schlüssig, wie diese in den wissenschaftlichen Diskurs eingebunden werden sollenF
- Reaktion Anne Lipp:
- die Frage ist noch nicht beantwortet, ob alles wirklich archiviert werden muss
- welche wissenschaftlichen Veröffentlichungen müssen eigentlich archiviert werden (diese Frage besteht gerade bei kurzlebiger Kommunikation innerhalb Web 2.0)
- Reaktion Andreas Degkwitz
- diese Medien sind noch zu jung um beurteilen zu können, was wir archivieren müssen
- das Thema wird aber relevanter, wenn man bedenkt, dass nicht nur Äußerungen, sondern auch Diskussionen stattfinden
- Reaktion Angelika Lex
- mit Article of the Future versucht Elsevier schon eine neuen Weg zu gehen, um eine stärkere Verlinkung innerhalb von Forschungen voranzutreiben
- Elsevier kooperiert mit verschiedenen Open Access Organisationen (z.B. PANGAEA) und ist offen für weitere Kooperationen
- Reaktion Ortwin Dally (auf innovative Publikationen innerhalb der Archäologie)
- vernetztes Arbeiten (mit anderen Wissenschaftsgebieten) ist auch bei der Archäologie sehr stark, d.h. übergreifende Daten sind hier von Interesse
- Anmerkung aus dem Publikum: sollte man nicht ebenso über einen Aufbau von entsprechenden Infrastrukturen in den Wissenschaften, die sich um das Thema kümmern, nachdenken?
- Anmerkung aus dem Publikum: welche Bedeutung hat Open Science für die Produktion von Wissen (z.B. in der Kollaboration)
- Reaktion Jeanette Hofmann: hier gibt es noch große Herausforderung in der Kultur und in rechtlicher Hinsicht
- Reaktion Angelika Lex: auch das Thema Plagiate wird hier wichtig werden
- Reaktion Anne Lipp: DFG bietet virtuelle Umgebungen für Forschung an, die allerdings nur wenig genutzt werden
- Reaktion Martin Grötschel: das Thema virtuelle Forschungsumgebungen ist aus Sicht der Wissenschaftler ein zweischneidiges Schwert (viele suchen noch den persönlichen Kontakt); hier gibt es sicher kulturelle Unterschiede und es dürfte eine Frage der Gewöhnung sein
- Reaktion Ortwin Dally: virtuelle Umgebungen spielen in der Archäologie bereits eine nicht unwichtige Rolle; in der Forschung fängt man langsam an in größeren Zusammenhängen (in wissensproduzierender Hinsicht) zu denken
- Anmerkung aus dem Publikum: warum Review-Journals in Open Access überführen? Warum nimmt man die Sache nicht selbst in die Hand, anstelle den Verlagen das Feld zu überwachen? Warum nimmt die DFG nicht die 1 Million Euro Fördervolumen, um eine entsprechende frei Open Access Plattform zu finanzieren? Was machen Forscher aus anderen Nationen (Russland, China)?
- Reaktion Angelika Lex: Elsevier rechtfertigt seine Kosten wieder mit Aufwand, der allerdings schwerlich nur als schwerwiegender Aufwand zählen dürfte, und Infrastruktur
- Reaktion Anne Lipp: Open Access fördert auch die Kostentransparenz und die Diskussion über die Kosten für das Publizieren, der Weg ist aber noch lang
- die Europäische Kommission diskutiert gerade eine Regelung für das nächste Forschungsrahmenprogramm, in der eine verbindlich Open Access Publikation für alle Forschung gefordert wird (verbindlicher als die Empfehlungen zu Open Access von DFG, Helmholtz, Max Planck & Co.)
Mein Fazit zur Veranstaltung fällt wenig überraschend aus. Das Thema Open Science wäre auch in einer vierstündigen Veranstaltung zu komplex, um auch nur ansatzweise erfolgreich diskutiert zu werden. Viele Argumente drehten sich, kein Wunder bei der Veranstaltungswoche, um den „Kleber“ von Open Science – dem offenen und barrierefreien Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnisse. Dennoch wäre eine detailliertere Diskussion der einzelnen Komponenten – also Open Access, Open Data, Open Research, Open Source – dem Ergebnis einer breiteren Öffnung der Wissenschaften zuträglich. Dennoch sind solche Veranstaltungen nicht umsonst – nicht zuletzt, um das Thema an vielen Stellen im medienorientierte Bewusstsein zu halten.
Vielen Dank an die Organisatoren!
Hmmmmmm… Ich vertraue deinem Urteil.
[…] uns auch noch bis Mitternacht diskutieren”) auch Matthias Fromm im Fazit seines lesenswerten Blogbeitrags feststellt. […]
Danke für Deine Mühe!
Gern!
Danke für die detaillierte Zusammenfassung! So interessant die ‚Diskussion‘ auch war, stimme ich zu: Das Themenfeld Open Science wurde zu einseitig diskutiert. Eigentlich ging es nur um Open Access und am Rande vielleicht um Open Data – vielleicht war das der Themenwoche oder der Örtlichkeit geschuldet…
Eindeutig. Oliver Tacke brachte es in einem Tweet auf den Punkt, es ging wieder einmal nahezu ausschließlich um Produkte, nicht um Prozesse. Ich glaube es gab gestern eine Rückmeldung aus dem Publikum, die das Thema Prozesse betraf. Was ist eigentlich mit der Öffnung des gesamten Wissenschaftsprozesses? Also nicht nur dem Teil der Veröffentlichung, sondern angefangen bei der Förderung und Förderungsvergabe, über die Forschungsprozesse (Open Research) und begleitende Kommunikation, bis hin zur Begutachtung (Open Review) und Veröffentlichung – dann aber nicht nur der Ergebnisse (Open Access), sondern auch der Forschungsrohdaten (Open Data) und der verwendeten Tools (Open Source)?
Open Access ist sicher der Faktor, der in allen diesen Stufen gemein ist. Aber das Thema detailliert, aber in Zusammenhang zu betrachten ist ein schwierige Aufgabe, die eine Podiumsdiskussion überfordert.
Stimme ich zu. Ich vermute, dass der gleiche Umbrella-term (OS), je nach Bezugsgruppe, recht unterschiedliche Agenden zum Tag bringt.
Eine Veranstaltung in der Grimm-Bibliothek mit einer Vertreterin von Elsevier => Zugänglichkeit von Artikeln, Verlagswesen, Bibliotheken, Artikel, Journals; kurzum Open Access und die Vermarktung des Produktes.
Open Data wurde, soweit ich mich erinnern kann, nur ganz am Rande mal angerissen (glaube von Herrn Grötschel).
Open Review und Open Research wurden gar nicht angesprochen. Kollaboration kam gar nicht auf. Tools und Methoden nur am Rande auf Nachfrage (übrigens von mir). Wahrscheinlich wären diese Themen bei Praktikern von OS oder Plattform-Leuten eher aufgekommen…
Nun denn, man hätte die Veranstaltung – so gut sie auch besetzt sein mag – einfach ‚Open Access – Chancen und Herausforderungen‘ nennen sollen…
Klar war das der Veranstaltungswoche geschuldet und die Diskussion wäre mit Open Access etwas treffender betitelt gewesen. Schade, dass das Podium auch nur mit „hochkarätigen Gästen“ besetzt war und man sich nicht wenigstens einen Praktiker dazu geholt hat, der wenigstens Open Access, wenn nicht sogar Open Science praktiziert. Potentielle Kandidaten gibt es ja da draußen! Was mich auch gewundert hat, ist, dass wenig über die Politik gesprochen wurde, außer den paar wenig neuen Aussagen von Frau Hofmann. Hier hätte ich mehr Futter erwartet, beispielsweise eine Forderung nach zukünftig expliziter Förderung von Open Science in Forschungsausschreibungen, oder ähnliches.
Ah, von Dir stammte also die kritische und „leicht emotionale“ Wortmeldung! Guter Punkt, den Du da hattest! Wie läuft das bei Dir am HIIG, wie weit praktizierst Du OS/OA?
Ach, so emotional wollte ich da gar nicht sein. Vielleicht war ich einfach n bisserl aufgeregt, als ich das Mikro in der Hand hatte.
So richtig praktizieren kann ich OS/OA noch nicht; bin erst seit September am Insitut und habe seither noch keine Publikationen bzw. Forschungsprojekt. Werd aber mein Bestes tun…
Anyways. Davon hast du vielleicht gehört: http://www.hiig.de/en/events/colloquium/
Könnte für dich auch interessant sein?
Deinen Blogeintrag habe ich mal an meine Kollegen weitergeleitet.
Hallo,
Der leicht emotionale Beitrag war von mir …
Ich war übrigens sehr beeindruckt, was die Mathematiker geschafft haben, auch wenn Herr Grötschel etwas resigniert klang. Frau Lex hat ja zugegeben, dass Elsevier auch beeindruckt war und ich denke, dass es nur so gehen kann.
Ich habe nach der Veranstaltung selbst die costofknowledge webseite aufgerufen und überlegt, welche Kategorien ich anklicken kann. Ich bin bei einer Zeitschrift von Springer im Editorial Board (Journal of Comparative Germanic Linguistics). Ich bin da als Vertreter eine bestimmten Forschungsrichtung drin. Vielleicht könnte ich das abgeben. Allerdings habe ich auch Artikel, die ich gern dort veröffentlichen würde. Es gibt keine vergleichbare andere Zeitschrift. Die Zeitschrift unserer Fachvereinigung (DGfS) wird von De Gruyter herausgegeben. Die Gewinne sind nicht bekannt, weil de Gruyter keine Aktiengesellschaft ist, aber die Preise sind so ähnlich wie die von Elsevier und die Gewinne dürften in ähnlichen Regionen liegen. Was machen wir mit dieser Zeitschrift? Das sollte auf der nächsten Tagung der Gesellschaft zum Thema werden, aber so schnell wird sich sicher nichts ändern. Kurz, die ganze Sache ist nicht so einfach, wenn es um Zeitschriften geht. Ich denke, bei Büchern ist das anders, denn ein Buch steht viel mehr für sich allein. Hier kann man (hoffentlich) relativ schnell eine alternative Infrastruktur aufbauen. Martin Haspelmath und ich versuchen das jetzt gemeinsam mit vielen anderen. Das war mein Zwischenruf von hinten auf eine Bemerkung vom Podium, man müssen halt einen Verlag gründen: „Am Montag geht’s los!“
Das ist unsere Initiative: http://hpsg.fu-berlin.de/OALI/ und was oben steht gibt es noch mal ausführlicher in unserem Blog: http://www.frank-m-richter.de/freescienceblog/
Moin Stefan!
Danke für Deinen Kommentar und entschuldige bitte, wenn ich Deine Wortmeldung jemandem anders zugeschrieben hab.
Euer Ansatz ist spannend, muss ich mir nochmal im Detail ansehen, danke auf jeden Fall für den Hinweis darauf!
„Die Wissenschaftler hängen an Verlagen, wie die Junkies an ihren Drückern” – aber warum ist das so? Darüber wird meiner Ansicht nach zu wenig gesprochen. Wir hängen an den Verlagen, weil mit „guten Verlagen“ Prestige verbunden ist. Damit unsere Beiträge gelesen werden, müssen sie nicht nur zugänglich sein, sondern auch an einem prestigeträchtigen Ort veröffentlicht sein. Und für einen Zeitschriftenherausgeber ist es halt prestigeträchtiger, eine Zeitschrift mit langer Tradition herauszugeben, oder eine Zeitschrift, die bei einem namhaften Verlag erscheint. Diesen Mechanismus muss man irgendwie aushebeln.
Absolut richtig.
Die Strahlkraft eines Magazin und die wohl wichtigste Währung in der Wissenschaft, die Reputation (durch Zitation in erster Linie), stehen leider einem offenen Publikationssystem entgegen. Das ist allerdings ein Henne-Ei-Problem – wenn wir nicht anfangen auch außerhalb der traditionellen Publikationen zu veröffentlichen, werden wir auch an dem System nichts ändern.
Der Währungsgedanke beschreibt die Realität wohl gut, nur frage ich mich, ob der Wissenschaft eine Ökonomisierung gut tut.
Sicher hat meine Brilla da einen leichten rosaroten Einschlag, aber wenn der primäre Antrieb für Wissenschaft die Reputation ist und nicht mal kleiner Raum für etwas abseits dieser Linie ist… Ich weiß nicht.
Recht hast Du – aber die Argumentation vieler zustandswahrender Verlage, Wissenschaftler und Politiker ist auf eben diese Währung „Reputation“, bzw. auf deren Auswertbarkeit und daraus resultierenden Metriken, gestützt. Und nein, der Wissenschaft tut das nicht gut (zumal es auch ein Zerrbild in vielerlei Hinsicht, z.B. der verwendeten Sprache, ist). Ein solches System wird sich aber nicht ändern solange nicht ein neues und zeitweilig parallel bestehendes und sich entwickelndes System existiert. Die Krux ist also wie so oft: nicht nur reden, sondern erste Schritte gehen.
Wir hatten ja in der Diskussion das Beispiel von Cell mit einer Annahmequote von 4% (!!!). Die große Frage ist: Wie kriegt man das mit einer OA-Zeitschrift hin? Ich habe meine Kollegen, die solche Zeitschriften betreiben, gefragt. Will man die ersten 96 Aufsätze ablehnen? Die ganze Sache ist extrem schwierig. Man kann das nur langsam aufbauen. Bei Zeitschriften, die von Gesellschaften herausgegeben werden, ist es einfacher, denn die gehören ja den Gesellschaften. Hier sind die Verlage wirklich nur Dienstleister.
Aber wo ist das Problem diesen Wert einfach zu überschreiten? Oder verstehe ich da irgendetwas nicht?
Als erfahrener Wissenschaftler bekommt man irgendwann ein Gefühl dafür, welcher Artikel in welche Zeitschrift gehört. Ist das, was ich herausgefunden habe, bahnbrechend oder eher doch nur ein interessantes Zwischenergebnis oder ein kleines Detail. Bei bestimmten Zeitschriften mit einer extrem niedrigen Annahmequote versucht man erst gar nicht bestimmte Artikel einzureichen (bzw. sagt den Doktoranden, dass sie es nicht versuchen müssen). Die Begutachtung kostet Zeit und man schickt den Aufsatz dann lieber gleich woanders hin. Das führt dazu, dass die hundert Aufsätze von denen 96 dann abgelehnt werden, ohnehin schon eine sehr gute Qualität haben.
Frage: PDFs kosten nichts: Warum nicht alles veröffentlichen? Meine private Antwort: Ich habe keine Zeit und will nicht alles lesen. Wenn ein Artikel in Language erscheint, weiß ich, da muss was dran sein. Die Qualitätsauswahl ist ein wichtiger Dienst der Zeitschriften für die Community.
Okay, warum dann nicht etwas am Begutachtungsprozess ändern? Warum nicht ein System entwickeln, dass Artikel entsprechend einstuft? Hier gäbe es bei den Überlegungen von Open Review Verfahren doch interessante Ansätze.
Das mit der Einstufung ist interessant. Ich dachte erst, dass das die Lösung wäre, aber es ist auch nicht so einfach, denn die Herausgeber einer Zeitschrift fragen ja die jeweiligen Spezialisten zu einem Thema. Das heißt, Thema 1 wird von X begutachtet und Thema 2 dann von Y. Wie will man nun sicherstellen, dass die 50 Punkte von X wirklich aussagen, dass das Papier schlechter ist als das von Y mit 70 Punkten bewertete Papier? Eine schlechte Bewertung könnte auch für die Zeitschrift blamabel sein, wenn sich der Aufsatz als Hit herausstellt. Fälschlicherweise abgelehnte Aufsätze fallen dagegen nicht auf.
Hm, interessantes Problem. Okay, hier würde es also mindestens eine Matrix benötigen die beide Dimensionen (Themen/Experten) abdeckt.
Oder man versucht so etwas nicht quantitativ zu fassen (70 Punkte sind 20 Punkte besser als 50 Punkte), sondern eher qualitativ (A ist innovativer als B…). Wobei sich bei solch einem Vorgehen dann natürlich die Frage stellt, welchen Kriterienkatalog (ähnlich z.B. den Nachrichtenwerten im Journalismus) zur Bewertung man zugrunde legt.
Ein zusätzlicher Indikator könnte ein Community-Ranking sein, wobei es auch dabei wieder bedenkenträgerische Fußangeln gäbe.
Kein so einfaches Thema.
@ Benedikt
Na dann bin ich gespannt, wie Du das angehst. Wenn ich richtig gelesen habe, dann ist Dein Thema Open Science, aber eher von der Enabler-Seite (Technologien und Partizipation), oder?
Danke für den Hinweis auf das Event, ich war letztes Jahr beim ersten Kolloquium (im Rahmen der Gründung des HIIG), die Veranstaltung war aber nicht so mein Fall. Hatte so etwas von „man muss unbedingt dabei sein weil Google gerufen hat“. Aber das war halt auch nur ein subjektiver Eindruck. Davon abgesehen, konnte ich dieses Jahr auch keine Zeit aufbringen. Aber ich werde mal schauen, was an Publikationen danach so erscheint.
[…] Eine der wenigen Gegenstimmen kommt von dem Gastblogger David Ropeik bei “Scientific American”. Er hält das Urteil nicht für einen Skandal. Aus seiner Sicht hätten die Forschenden die Verantwortung gehabt, die Erbebenrisiken besser zu kommunzieren. Warum es so schwer ist, verlässliche Erdbebenvorhersagen zu treffen, hatte Sascha Lobo vergangenes Jahr im Forschungs-Blog erklärt. 22.-28.10.2012 Open Access Week […]
[…] Matthias From posted an extremely detailed summary of the discussion in German. […]
[…] ergründen sollte. Ausführliche Berichte zu dieser Veranstaltung schrieben Bibliothekarisch.de und Offene Wissenschaft. Die Arbeitsgruppe Open Access hat in der Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der […]
[…] why is it that scientists are not choosing cheaper publication venues? As Christoph Bruch remarked recently, it seems that “scientists depend on publishers like junkies depend on their […]
[…] auf Stefan Müller aufmerksam geworden bin, nachdem er sich unter meinem Liveblogging-Beitrag zu Wort meldete. Stefan Müller ist Linguist an der FU Berlin im Bereich Deutsche Grammatik und arbeitet gemeinsam […]